Nachdem sich alle Schüler der Klasse 10a vor dem Gerichtsgebäude versammelt hatten, gingen wir hinein. Gleich am Anfang befand sich eine Sicherheitskontrolle, an der wir wahrscheinlich wegen unseres vertrauensvollen Eindrucks, einfach vorbeilaufen konnten. Als wir dann nach kurzem Warten im Gerichtsraum platzgenommen hatten, kamen der Richter und zwei Schöffen herein. (Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die im Hauptverfahren von Strafprozessen mitwirken). Diese mussten zunächst schwören, nur nach der Wahrheit zu urteilen. Danach begann die Befragung des Angeklagten. Dieser war des Raubes, der Erpressung und Sachbeschädigung angeklagt. Er soll in einem Discounter eine Flasche Whisky entwendet haben sowie einen etwas verwirrt und offensichtlich wehrlos wirkenden älteren Mann wegen drei Euro angegangen haben: „Gib mir drei Euro, dann bin ich weg“, soll er gesagt haben. Außerdem wurde ihm noch zur Last gelegt, noch ein Fenster im Wohnhaus des älteren Herrn eingeschlagen zu haben.
Nachdem die Zeugen ihre Version des Tathergangs geschildert hatten, zogen sich die Schöffen und der Richter in ein Hinterzimmer zurück, um sich auf ein Urteil zu verständigen. Als Zeugen wurden der Geschädigte selbst, sein Bruder, ein Polizist und ein weiterer Kriminalkommissar sowie seine Nachbarn vernommen.
Nach einer etwa zwanzigminütigen Verhandlungsunterbrechung kamen der Richter und die beiden Schöffen wieder zurück und nahmen Platz.
Das Urteil lautete, dass der Angeklagte wegen Erpressung des 85-jährigen, wegen Diebstahls einer Whiskeyflasche und wegen offensichtlicher Lüge vor Gericht, 100 Tagessätze zu je 35 Euro an den Staat bezahlen muss. Die Sachbeschädigung konnte ihm nicht nachgewiesen werden, da man nicht einmal einen Wurfgegenstand im Haus gefunden hatte, und das zerschlagene Fenster ohne Leiter nicht zu erreichen ist, da es sich in etwa 2,3m Höhe befindet. Das heißt der Mann muss insgesamt eine Strafe von 3500 Euro zahlen, weil er eine Flasche Whisky im Wert von sechs Euro gestohlen hat und den Mann wegen drei Euro bedroht hat. Als deutlich schwerwiegender angesehen wurde jedoch die Bedrohung einer körperlich deutlich unterlegenen, wehrlosen Person.